Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende
Als die Gedenkstätte für die ermordeten Wiesbadener Juden am 27. Januar 2011 der Bürgerschaft übergeben wurde, waren 1.507 in der Shoah ermordete Wiesbadener Jüdinnen und Juden namentlich bekannt. An sie erinnern die Namensteine an der Gedenkstätte. Die jüdische Gemeinschaft in Wiesbaden hatte vor 1933 etwa 3.000 Mitglieder. Bis heute konnten die Schicksale von etwa der Hälfte der zu dieser Zeit in Wiesbaden lebenden Jüdinnen und Juden rekonstruiert werden.
Die Zahl der Wiesbadenerinnen und Wiesbadener, die vom NS-Regime entrechtet, verfolgt und ermordet wurden, weil sie Juden waren, ist bis heute unbekannt. Dies visualisieren die zahlreichen Leerstellen am Namenband in der Gedenkstätte. Sie zeigen, dass das NS-Regime nicht nur die Menschen, sondern auch jegliche Erinnerung an sie auslöschen wollte. Die Leersteine können als Zeichen verstanden werden, dass die Erinnerung an die Verbrechen der NS-Zeit und an deren Opfer, ob ihre Namen bekannt sind oder nicht, nie enden darf.
42 Namensteine werden 2023 dem Namenband an der Gedenkstätte für die ermordeten Wiesbadener Juden hinzugefügt. Neben dem Namen nennen sie das Geburtsjahr sowie das Jahr und den Ort der Ermordung. Ergänzt wird das Namentliche Gedenken durch die „Erinnerungsblätter“ des Aktiven Museums Spiegelgasse für deutsch-jüdische Geschichte Wiesbaden, die die Biografien der jüdischen Familien erzählen, derer am Michelsberg gedacht wird. Bei ihren Recherchen ermitteln die Mitglieder des Aktiven Museums immer wieder Namen bisher unbekannter Wiesbadener Jüdinnen und Juden und tragen damit zur Fortsetzung des Namentlichen Gedenkens bei.
Am 14. Februar 1945 wurden die letzten Jüdinnen und Juden aus Wiesbaden in die Konzentrationslager deportiert. Bis heute finden sich in Archiven immer wieder Hinweise auf bisher unbekannte Biografien, die mit Wiesbaden verwoben sind. Deshalb kann die Erforschung nach 78 Jahren nicht als abgeschlossen gelten.
Mit der Veröffentlichung dieser Homepage stellt die Jüdische Gemeinde Wiesbaden in Kooperation mit dem Stadtarchiv erstmals alle bisher recherchierten und an der Gedenkstätte genannten Namen der in der Shoah ermordeten Wiesbadener Jüdinnen und Juden online zur Verfügung. Grundlage für die weiteren Beiträge zur Entstehung der Jüdischen Gemeinde, zur NS-Geschichte Wiesbadens und zur Genese der Gedenkstätte ist die 2017 in zweiter Auflage von der Stadtentwicklungs-Gesellschaft Wiesbaden herausgegebene Dokumentation „Mahnung am Michelsberg“.
Die Website leistet mit der Ergänzung, Aktualisierung und digitalen Veröffentlichung der Dokumentation, der Nennung der Namen der ermordeten Wiesbadener Jüdinnen und Juden sowie der Übersetzung der Website in mehrere Sprachen einen wertvollen Beitrag zur Kontextualisierung des authentischen Ortes am Michelsberg. Dafür danke ich der Jüdischen Gemeinde Wiesbaden, den Autorinnen und Autoren, die ihre Texte erneut zur Verfügung stellten, und allen Unterstützern sehr.
Gert-Uwe Mende
Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Wiesbaden