Früherer Oberbürgermeister Dr. Helmut Müller während der Grundsteinverlegung im Jahr 2010.
(Fotograf: Oliver Hebel)
In nicht zu ferner Zeit wird es keine Zeitzeugen mehr geben, die aus der persönlichen Erinnerung von den Jahren vor 1945, von der Shoah, den Gräueln der Nationalsozialisten, berichten können. Deshalb brauchen wir Orte der Erinnerung — als Mahnung für heutige und zukünftige Generationen, als Gedenkstätten für die Opfer der Gewaltherrschaft. Es geht darum, sichtbar zu machen, dass es auch in Wiesbaden — wie überall in Deutschland — unfassbare Verbrechen gegen die Menschlichkeit gab, dass auch von hier aus Sammeltransporte in die Konzentrationslager starteten, dass Menschen wegen ihres Glaubens und ihrer Herkunft sterben mussten, die in unser Stadt lebten und die Nachbarn waren.
Es war das besondere Anliegen unserer verstorbenen Stadtverordnetenvorsteherin Angelika Thiels, dass mit dem Mahnmal am Standort der ehemaligen Synagoge, die am 10. November 1938 von den Nationalsozialisten zerstört wurde, eine ganz persönliche und „begreifbare« Form der Erinnerung gefunden werden sollte. Jeder einzelne der mehr als 1 500 hier eingelassenen Namen und die mit ihm verbundenen Daten stehen für einen Menschen, der ausgesondert, der gebrandmarkt wurde und der den unfassbaren Verbrechen der Nazis zum Opfer fiel.
Angelika Thiels war es wichtig, einen Raum zu schaffen, der Angehörigen die Möglichkeit gibt zu trauern, der den Toten ein Gesicht gibt, der verhindert, dass die Erinnerung verschwindet, der Diskussionen ermöglicht.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Diese Lehre aus den nationalsozialistischen Verbrechen haben die Väter des Grundgesetzes im ersten Artikel unserer Verfassung festgeschrieben. Das Mahnmal an der Coulinstraße ist eine immerwährende und deutlich sichtbare Erinnerung, diesen Auftrag nicht zu vergessen.
Dr. Helmut Müller
Oberbürgermeister a. D.